Wie kommt Selbstorganisation wirklich ins Laufen?
Beratung einer agilen Organisation im Bildungsbereich
Case eines Bildungsunternehmens im Rahmen der Neuwaldegger Beratung zu agilen Organisationsformen.
Der Eigentümer eines deutschen Weiterbildungsinstitutes hat einen mutigen Schritt gewagt: Seit zwei Jahren setzt er auf 100% Selbstorganisation, die auf einer SCRUM-Produktlogik aufsetzt. Die Teams bilden sich um die jeweiligen Produkte herum und arbeiten nach den SCRUM-Prinzipien. Die Mitglieder haben unterschiedliche Rollen in verschiedenen Teams. Aber irgendwie kommt das Ganze nicht richtig in Fahrt: Manche Produkte verkaufen sich nicht, unterschwellige Konflikte sind zu spüren, viele Personen fühlen sich orientierungslos und verlangen nach mehr Führung.
Ziel ist es, herauszufinden, welche Rahmenbedingungen die Organisation und deren Mitglieder brauchen, damit Selbstorganisation das volle Potential entfalten kann. Sie wollen von unseren Erfahrungen mit Holacracy und Selbstorganisation lernen, einen Prozess aufzusetzen, der die Ängste und Sorgen der Einzelnen aufgreift und bearbeitbar macht und eine effektivere Organisationsstruktur schafft.
Wer ist wofür zuständig und entscheidet?
Zuerst wird mit einer gemeinsamen Kulturanalyse gestartet, Hypothesen gebildet und erste Stoßrichtungen entwickelt. Folgende Themen kristallisieren sich heraus: Den Einzelnen ist nicht klar, wer wofür zuständig ist und wer was entscheidet, da wenig formal festgelegt ist. Informelle Führungsstrukturen haben sich etabliert, wobei der Eigentümer noch immer im Zentrum steht. Schmerzen der Vergangenheit (wie zum Beispiel Abwertung zwischen Trainer:innen und Mitarbeitenden) sind nach wie vor vorhanden.
In einer ersten Phase wird daran gearbeitet, was auf der formalen Seite eingeführt werden muss, damit mehr Sicherheit in der Organisation hergestellt werden kann. Dafür werden unterschiedliche Rollen mit Aufgaben in den Teams definiert, Regeln der Transparenz eingeführt und die Abläufe der Meetings festgelegt. Dabei bekommen die Ängste der Einzelnen immer Raum, was Vertrauen in den Prozess und in die Zukunft stärkt.
Purpose schafft die gemeinsame Mitte!
In der zweiten Phase stehen die Arbeitsweise und das Miteinander (Tribe-Space) mehr im Fokus. Dabei schafft der Purpose die gemeinsame Mitte, um die sich alle versammeln können. Die Purpose-Praktiken stellen den Bezug zur Praxis her, indem diese in den Teams und den Rollen integriert werden. Darauf aufbauend kann an einem gemeinsamen Konflikt und einer gemeinsamen Gesprächskultur gearbeitet werden. Aktualität und Mut sind dabei hilfreich: So werden heikle Themen coram publico mit dem Eigentümer thematisiert und bearbeitet und das nötige Momentum hergestellt. Individuen üben mit Tools an realen Themen, die sie auch im Alltag nutzen können. Extra Rollen werden definiert, die als Supporter in der Zukunft fungieren.
Der temporäre Kreis „@Selbstorganisation“ unterstützt die Organisation und die Teams in ihren Entwicklungsprozessen, indem diese die systemische Schleife nutzen, und übernimmt immer mehr Aufgaben der Berater:innen.
Schlüssel ist, die emotionale Belastung ernst zu nehmen.
Schlüssel ist, auf der einen Seite das Ernstnehmen der emotionalen Belastung der Mitarbeiter:innen und gleichzeitig das Schaffen von konkreten Spielregeln, die das Arbeiten im täglichen Tun regeln und dadurch Entlastung schaffen. Authentizität und Glaubwürdigkeit entsteht in der achtsamen Auseinandersetzung mit heiklen Fragen und Paradoxien, wie der Rolle des Eigentümers, informelle Spielregeln rund um Schlüsselpersonen und schwelende Konflikte. Der gemeinsame Diskurs dazu gibt immer wieder Kraft und macht Lernen möglich.