Stagnation im Erfolg
Wie wir einer Expert:innen-Organisation geholfen haben, sich zu verändern
Beratungs-Case einer Expert:innen-Organisation im Rahmen der Neuwaldegger Change Management-Beratung.
Dieses Unternehmen ist eine Expert:innenorganisation, die seit einem halben Jahrhundert auf dem Markt ist, und in ihrer Branche als Vorreiter und Pionier gilt. In der Branche kennt man nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Personen, die dort tätig waren und sind. Man ist sich seines Expert:innenstatus bewusst.
Auch heute bedeutet der Namen der Expert:innenorganisation noch etwas, und die Position auf dem Markt ist solide. Wachstumssprünge werden keine gemacht, aber es gibt viele Stammkund:innen, man beherrscht das Geschäft und kennt die aktuellen Entwicklungen. Von außen gesehen gibt es keinen Veränderungsbedarf. Dieser ist innen entstanden und hat sich langsam zu einem Konflikt entwickelt, der fast aussichtslos erschien.
Ein kurzer Rückblick: in den 50 Jahren, die vom Wachstum geprägt waren, gab es natürlich immer wieder Konflikte, die, wenn es ganz heiß wurde, durch Trennung gelöst werden konnten. Irgendwer hatte genug und verließ das Unternehmen, meist um selbst ein ähnliches, kleineres Unternehmen zu gründen. Der Markt war groß genug, um dies – ohne allzu große Probleme – zuzulassen. Doch vor circa 15 Jahren wurde entschieden, die Rechtsform zu verändern und eine GmbH zu gründen in die alle Rechte überführt wurden. Die gleichen Personen waren nun Eigentümer:innen, hatten jetzt eine andere Rolle und damit Erwartungen aneinander, ohne, dass dies besprochen wurde.
Der Konflikt eskaliert
Es kam, wie es kommen musste, zum Konflikt. Dieser eskalierte, doch jetzt, nachdem man investiert und sich ökonomisch gebunden hatte, war ein Austritt, eine Trennung nicht mehr so leicht möglich wie früher. Also wurde gekämpft und Entscheidungen so lange durch Mehrheitsvoten durchgesetzt, bis sich zwei Lager gebildet hatten, die sich fast feindlich gegenüberstanden. Außen auf dem Markt ließ man dies niemand wissen, doch die Gesellschafter:innen-Versammlungen waren kaum zu ertragen.
Die Eigentümer:innen hatten in der Vergangenheit auch externe Beratung geholt, doch sie hatte nicht helfen können. Man war ratlos, einige Eigentümer:innen dachten schon an den Ruhestand, als wir – fast wie der letzte Strohhalm – von einem der Eigentümer:innen in einem langen E-Mail angefragt wurden. In mehreren Gesprächen, die immer mit Vertreter:innen beider Lager geführt wurden, haben wir die nötigen Informationen gewonnen, um Hypothesen zu entwickeln und uns zu überlegen, ob und was wir anbieten sollten. Wir haben uns zu einem Angebot entschieden, das aber so kritisch kommentiert wurde, dass wir nochmals darüber nachdachten, ob wir überhaupt anbieten sollten.
Das Beratungsangebot als Intervention
Das Ergebnis unseres Nachdenkens war ein zweites Angebot, welches wir als letzte Option für eine Mitwirkung von uns bezeichnet haben, und das beiden Lagern beträchtliche Entscheidungen abverlangte bevor wir mit dem Beratungsprozess starten würden. Dies hat zu intensiven Diskussionen innerhalb der Lager geführt und schließlich zur Auftragsunterzeichnung.
Selten können wir so deutlich erkennen, dass der Angebotsprozess selbst schon ein wichtiger Teil des Veränderungsprozesses ist. Diesen kann man sich hier als umgekehrten Trichter vorstellen: am Anfang war es ganz lange eng und dann wurde der Trichter immer etwas weiter. Der Beratungsprozess folgte dann den klassischen Schritten: Interviews, Diagnose und Workshops. Für jeden der Workshops haben wir eine andere Zusammensetzung der Teilnehmer:innen geplant und hatten ein anderes Setting.
Vertrauen in die Veränderung
Eine der größten Herausforderungen war die eigene Veränderungsbereitschaft der Eigentümer:innen zu erhöhen, sie aus den Abwertungen und Forderungen an die anderen herauszuholen. Dies hatten wir schon im Angebotsprozess begonnen und mussten es jetzt in den persönlichen Begegnungen der beiden Lager vor allem zu Beginn des ersten Workshops vertiefen und erlebbar machen. Dafür haben wir bis zum letzten Tag vor dem ersten Workshop an den Details des Designs gefeilt (was dann einen halben Tag gehalten hat).
Rückblickend ergab die Mischung aus erwartbarem Vorgehen, Überrumpelung und präziser Diagnose, die wir zurückgespiegelt haben. das Rezept, das geholfen hat, die Veränderungsbereitschaft wachsen zu lassen. Dies konnte jeder schon am ersten Tag erleben. Begegnungen, die vorher nicht möglich waren, haben stattgefunden, und Entscheidungen wurden wieder gemeinsam getroffen. Dies war der Kern für die Öffnung des Trichters. Es wurde noch an vielen anderen Themen gearbeitet: der Marktauftritt, die persönliche und organisationale Zukunft, die Verabschiedung mancher und die Erstellung einer langen Liste der offenen Entscheidungen. Es konnten Rollen vereinbart und besetzt werden, die sich um die wichtigen Themen kümmern sollten. Schließlich haben wir für die Eigentümer:innen ein Modell entwickelt, wie sie im Alltag kooperieren können, es mit ihnen eingeübt und nach einer Praxisphase ein Follow-up vereinbart.