Am I Purpose fit? Wie funktioniert Recruiting und Onboarding bei einer Purpose Driven Organization?
Purpose ist in aller Munde. So erzählte mir auch eine Kollegin vor einiger Zeit von der Purpose-Suche ihrer eigenen Organisation. Die Beschreibung klang wie eine zähe und zugleich aufregende Schatzsuche. Den Schatz haben sie schließlich gefunden! Den Purpose ihrer Organisation komprimiert in einem Satz, der seine volle Wirkung sofort in unserem Gespräch entfaltete. Schnell. Emotional. Spürbar. Der Funke sprang sofort über. Mir war klar, dazu will ich beitragen!
Purpose fit wird das in der Fachsprache genannt,
wenn persönlicher und organisationaler Purpose zusammenpassen – in der Arbeitswelt ein immer wichtiger werdender Faktor.
„Hire characters, train skills“ lautete ein Spruch im Recruiting.
Doch es findet eine Verschiebung statt von fachlichen Fertigkeiten und Erfahrungen hinzu persönlichen Fähigkeiten und weiter zur Leistung eines sinnvollen Beitrages. In der Umsetzung bedeutet das, bei Purpose Driven Organizations wird im Recruiting mehr auf die Person selbst und ihre Motivation geachtet und weniger auf die Skills und Fähigkeiten. Was die Person antreibt, was ihr eigener Purpose ist und ob es eine Passung zum Purpose der Organisation gibt, ist entscheidend bei der Personalauswahl. Der Purpose wird zum zentralen Steuerungsinstrument.
Immer mehr Menschen wollen durch ihr Tun zu Sinnvollem beitragen. Unternehmen, die das bieten, haben in der Findung und Bindung von Talenten für die Organisation die Nase vorn. Diese Attraktivität zu entfalten gelingt Organisationen nur, wenn sie ihren eigenen Purpose definiert haben und leben, das macht den Unterschied aus. Simon Sinek beschreibt es in seinem Modell „The golden Circle“, entscheidend für die Anziehungskraft von Produkten oder Organisationen ist nicht das WAS gemacht wird, sondern das WOZU oder WOFÜR.
In der Praxis bedeutet das den Recruiting und Onboarding Prozess am Purpose auszurichten.
Der Start des Recruiting Prozesses ist ein erstes kurzes Gespräch mit dem Ziel, die Erwartungen an die geplante Zusammenarbeit abzuklären – Ab wann ist ein Beginn möglich? Warum gerade jetzt? Welche nächsten Schritte folgen in diesem Prozess?
Gefolgt von vertiefenden Gesprächen und Treffen mit verschiedenen Mitgliedern der Organisation. Diese Gespräche finden auf Augenhöhe statt. Der Schwerpunkt liegt nicht auf der Überprüfung fachlicher Skills, vielmehr steht der persönliche Kontakt im Vordergrund, die fachliche Kompetenz zeigt sich sowieso im Gespräch, wenn es um den eigenen Beitrag geht. Es gibt „klassische“ Elemente wie die Abklärung der Gehaltsvorstellungen oder den Werdegang zu besprechen, anders ist, dass auch der Werdegang der Organisation und der jeweiligen Mitglieder geteilt wird. Das Gehaltssystem und die Gehälter sind transparent. Der Purpose ist immer wieder zentrales Thema.
Was ist der Beitrag der Organisation zu unserer Welt? Was ist mein Beitrag zur Welt der Organisation?
Die Auswahl wird von allen eingebundenen Mitglieder der Organisation gemeinsam getroffen, entscheidend ist der Purpose fit.
Danach beginnt das Onboarding …
Danach beginnt das Onboarding. Dafür gibt es in der Organisation eine eigene Rolle. Es geht bei der Begleitung weniger um Einarbeitung, viel mehr darum schnell die eigene Wirksamkeit in der Organisation entfalten zu können. Dazu gehört ein Kennenlernen von Personen und Rollen, Entscheidungsprozessen und wichtigen Tools. Ein wesentlicher erlebter Unterschied ist das entgegengebrachte Vertrauen – in die Person, die Fähigkeiten und die eigene Motivation. Das zeigt Wirkung, es bestärkt das Bestreben, einen Beitrag zum gemeinsamen Purpose zu leisten, die Bindung an die Organisation entsteht schnell und ist stark. Bindung entsteht durch Einbindung.
„Zugehörig sein zu meiner Organisation“
Das Vertrauen und die gebotenen Möglichkeiten beschleunigen das Gefühl von „Zugehörig sein zu meiner Organisation“ und dem damit einhergehenden Gefühl von Verantwortung. Mit der Zugehörigkeit steigt die psychologische Sicherheit. Google hat in einem Projekt „Aristoteles“ high Performance in Teams untersucht. Den größten Einfluss hatte nicht die Zusammensetzung des Teams, auch nicht die Klarheit der Aufträge, sondern die psychologische Sicherheit, die im Team vorhanden war. Psychologische Sicherheit bedeutet ohne Angst vor Peinlichkeit im Team etwas sagen zu können, Neues auszuprobieren und Fehler machen zu dürfen. Fehler passieren unweigerlich, fehlt der sichere Erprobungsraum werden sie vertuscht und die Unsicherheit steigt.
Anders bei Organisationen, die ihren Purpose als zentrales Steuerungselement haben.
Hier wird Augenhöhe auch beim Schaffen eines gemeinsamen Lernraumes zugelassen, indem die Person sofort als vollwertiger Teil in der Organisation integriert wird. Sie übernimmt vom ersten Tag an wichtige Rollen. Das dahinterliegende mentale Modell der Organisation ist „wir lernen voneinander und entwickeln uns miteinander“ anstatt „der oder die Neue muss noch lernen wie es bei uns funktioniert“. Fehler sind erlaubt und festigen die Lernerfahrung und Bindung. Es geht nicht darum es von Anfang an „richtig“ zu machen, vielmehr geht es darum einen Beitrag zum Gemeinsamen zu leisten und das immer besser und besser. Was sich vielleicht soft anhört, kann durch transparente Messung und Feedback-Verfahren knallhart überprüft werden. Und wie schaffen es jetzt diese Organisationen das Gefühl von Zugehörigkeit zu erzeugen?
Es sind diese 5 Faktoren, die den größten Hebel haben:
- Entgegengebrachtes Vertrauen und gemeinsamen Mut zu erkunden
- Sofortiges Einbinden in Rollen und die Bereitschaft diese zu übernehmen
- Sichtbare Wirkung des eigenen Beitrages
- Ermöglichung von Lernräumen in denen Fehler erlaubt sind
- Gemeinsames Interesse daran immer besser zu werden und gelebte Feedback Praxis
(und hier sei verraten – es gelingt nur gemeinsam)
Recruiting und Onboarding in Purpose driven organizations ist nicht einfacher, als in anderen Organisationen, ganz im Gegenteil es fordert alle Beteiligten. Es erfordert Klarheit, Mut und Vertrauen, damit der Funke der durch den Purpose in der Person gezündet wurde, nicht gleich wieder ausgeht, sondern sich immer neu entfacht.
Wie man den Purpose umfassend in Organisationen nutzen kann beschreiben Franziska Fink und Michael Moeller anhand von 5 Disziplinen:
- Der Purpose ist in der Organisation dominant und dient als Entscheidungsprämisse.
- Es werden Rollen und Kommunikationswege im Rahmen einer kodifizierten Selbstorganisation ausdifferenziert.
- Personen werden im Sinne einer ganzheitlichen Partnerschaft nicht mehr nur als Mittel, sondern auch als Zweck betrachtet.
- Zentral ist eine Vertrauenskultur und Superflexibilität der Organisation.
- Mit anderen Organisationen wird die Schaffung von gemeinsamen Entwicklungsräumen angestrebt.
Die Autorin:
Nicole Lauchart-Schmidl ist Netzwerkpartnerin bei Neuwaldegg und wird ab Jänner 2020 Teil unseres Berater:innen-Teams werden. Wir freuen uns schon! Nicole bringt ihren Hintergrund als Personalerin und psychologische Beraterin hier ein und verbindet ihn mit unserem Neuwaldegger Praxis-Workshop “Purpose Driven Organizations”.
Buchtipp: Purpose Driven Organizations
Franziska Fink und Michael Moeller haben ein Buch über Purpose Driven Organizations geschrieben, das aktuell nominiert ist als das beste Wirtschaftsbuch. Der Award wird am 16. Oktober von getAbstract und Capital verliehen.
Weiterbildungstipp: Praxis-Workshop Purpose Driven Organizations
4 Tage für Unternehmer:innen, Organisationsentwickler:innen, Strateg:innen und Manager:innen, mit dem Ziel, mehr Purpose Drive in das eigene Unternehmen zu bringen. Nächster Termin: ab 22. Oktober 2020