Beteiligung im Change – ein kritischer Blick auf eine oft gehörte, doch wenig durchdachte Idee
„Ich möchte, dass die Mitarbeiter:innen die Veränderung mitgestalten!“ sagt mir eine CEO. „Toll“, denke ich. Und sofort taucht bei mir die Frage auf: „Aber, was heißt denn genau mitgestalten?“
Wer darf wann, wie viel und wozu mitgestalten? Welche Ergebnisse sollen dabei herauskommen? Und wer entscheidet am Ende, was übernommen wird?
In meiner Arbeit erlebe ich oft, dass Kund:innen in Changeprozessen Beteiligung einfordern. Ohne wirklich zu klären, was darunter zu verstehen ist. (Randnotiz: Umso erfreulicher, wenn Organisationen diese Fragen von Beginn an stellen – wie zuletzt beim Change Campus der AOK Baden-Württemberg, den mein Kollege David Jeggle und ich begleiten durften.)
Drei Stufen der Beteiligung
Die Partizipationsforschung unterscheidet mindestens drei Formen von Beteiligung:
- Information
Mitarbeitende werden über eine Änderung informiert. Formate können Townhalls, Intranetbeiträge oder Q&A-Sessions sein. Diese können mehr oder weniger dialogisch sein. - Konsultation
Mitarbeitende können Stellung nehmen oder Ideen einbringen. Die Entscheidung bleibt bei der Führung. Beispiele sind Sounding-Workshops oder Umfragen. - Co-Entscheidung
Mitarbeitende wirken direkt mit. Etwa in Rollen-Workshops oder Purpose-Prozessen, in denen Zielbilder gemeinsam definiert werden.
Das Missverständnis
Beteiligung klingt attraktiv. Für Mitarbeitende schwingt dabei oft Mitsprache, Mitentscheidung und Empowerment mit. Wenn wir Berater:innen genau nachfragen, meinen viele Führungskräfte eigentlich „Information“. Dieses Auseinanderklaffen der Verständnisse und Erwartungen führt schnell zu Frust. Und kann dazu führen, dass Mitarbeiter:innen bei der nächsten Einladung zur Mitgestaltung nur enttäuscht abwinken.
Drei Leitfragen für Beteiligung im Change
Damit Beteiligung gelingt, sollten wir zu Beginn des Prozesses einige Fragen klären:
- Um welchen Change geht es?
Nicht jede Veränderung verlangt den gleichen Grad an Beteiligung. Eine grundlegende Transformation (z. B. neues Geschäftsmodell mit KI) erfordert vermutlich Beteiligung im Sinne von Konsultation, oder sogar zweitweise Mitentscheidung . Bei einer Krise oder einem Turnaround ist der Entscheidungsspielraum enger. Mitarbeitende werden in diesem Fall mit (natürlich qualitätsvoller und transparenter!) Information ausreichend eingebunden sein. - Sofern Change nach Beteiligung verlangt, geht es um die Frage: Welche Stufe der Beteiligung ist angemessen? Und innerhalb welchen Rahmens?
Manche Entscheidungen müssen aus unternehmerischer Sicht gesetzt werden (das WAS). Diese Transparenz – worüber können wir mitreden und worüber nicht – ist wesentlich für den Erfolg von Beteiligungsprozessen ab der 2. Stufe.
Dabei bleibt es aber nicht: Es gilt weiter zu überlegen, WIE wir die Beteiligung ausgestalten: Wann beziehen wir eine Auswahl an Mitarbeiter:innen ein (z.B. ein Kernteam), wann hingegen alle Mitarbeiter:innen (z.B. bei einer Purpose Connection in der Großgruppe)?
Voraussetzung dafür ist eine Stakeholder-Analyse, die zeigt, welche Personen am Change interessiert sind, und welche tatsächlich betroffen; welche einen hohen Grad an Einfluss haben können, und welche nicht. - Wie wird mit Ergebnissen umgegangen?
Beteiligung ohne Folgen führt zu Enttäuschung. Deshalb muss von Beginn an klar sein: Wer ist Adressat der Ergebnisse, und wie werden sie weiterverarbeitet? Anhören, berücksichtigen, integrieren – oder gar direkt umsetzen, was geschieht mit den Ergebnissen? Und falls das noch nicht entschieden ist, sollte zumindest klar kommuniziert werden, WANN und WER die Entscheidung fallen wird.
Fazit
Beteiligung klingt einfach, ist aber komplex. Gut gestaltet, schafft sie Klarheit, Akzeptanz und Energie. Schlecht gestaltet, führt sie zu Vertrauensverlust und Widerstand.
Klingt interessant? Dann lassen Sie uns ins Gespräch kommen – und Ihr Unternehmen fit machen für Beteiligung im Change!
Über die Autorin
Astrid Reinprecht ist unsere frischeste Neuwaldegger:in. Seit 2023 verstärkt sie die Beratergruppe mit ihrer Expertise, die sie aus Wissenschaft, öffentlichem Dienst, aus der Kultur und Non-Profit Organisationen mitgebracht hat. Die Mediatorin und systemische Beraterin begleitet Einzelpersonen, Teams und Organisationen in Konflikten und Veränderungsprozessen. Inspiriert von den empirischen Einsichten der positiven Psychologie hat sie 2019 ein Buch zu Positiver Mediation geschrieben, um zu zeigen, wie das Potenzial positiver Wahrnehmungen von Stärken- und Lösungsfokussierung auch in schwierigen Situationen genutzt werden kann.
Weitere interessante Beiträge
arrow_forward Beratung zu Veränderung, Cases, Testimonials
arrow_forward Buch: Positive Mediation