Coaching-Tool: Kennen Sie Reframing?
Meine Coaching-Kundin kocht innerlich, als sie ihr Anliegen schildert. Ihr Co-Geschäftsführer stellt die gemeinsame Unternehmung in Frage und hat ihr die rote Karte gezeigt. Beiläufig in einem Küchengespräch habe er ihr gesagt, dass die Kooperation für ihn nicht mehr passt. Dass der gemeinsame Spirit aus den Gründungsjahren weg ist und sie sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln, das geht sich in einer Firma so nicht aus. Das sei ihm selbst erst klar geworden und er wisse auch noch nicht, was tun damit.
Sie ist empört, schockiert und wütend zugleich. Was für ein unreifes Verhalten, ihr das einfach so an den Kopf zu werfen, so nebenbei mal die Partnerschaft in Frage zu stellen oder aufzukündigen! Allein beim Erzählen des Vorfalls wird ihr wieder so heiß, wie in der Situation in der Teeküche.
Unter ihrem Ärger über diese unpassende rüpelige Art sei aber auch Traurigkeit, sagt sie mir – und Angst. Als ziehe er ihr damit den Boden weg nach acht Jahren gemeinsamem Unternehmensaufbau.
Und das dann einfach ihr vor die Füße werfen und sie damit stehenlassen!? – sie regt sich schon wieder auf.
Sie macht eine Pause und schaut mich erwartungsvoll an.
Meine Antwort: „Man könnte es auch so sehen: Mutig von ihm, das auszusprechen! Allein damit kann sich die Dynamik schon wieder verändern. Ihr Unternehmen entwickelt sich weiter, das scheint er erkannt zu haben. Da ist es gut, den Contract neu zu schließen.“
Sie starrt mich sprachlos an. Ich nutze die Pause und bringe den Gedanken zu Ende: „Aussprechen ist der wichtigste Schritt – dann lässt sich damit arbeiten. Und steil war das bestimmt auch für ihn. Er hat offensichtlich nicht lang allein gebrütet, sondern sich mit dem noch frischen Gedanken rasch mitgeteilt. Das kann man auch als Geschenk sehen.“
Wie es im Coaching dann weiterging? Die Kundin war still und das Rattern im Kopf fast hörbar. So hatte sie das noch nicht gesehen. Aber wenn sie es so betrachtete, wurde aus dem rüpelhaften Verhalten plötzlich ein wichtiger Schritt für das Weiterentwickeln des Führungsteams und vielleicht auch des Unternehmens.
Das Tool im Coaching nennt sich „Reframing“ – etwas in einen anderen Kontext setzen und damit die Bedeutung verändern.
Wenn da ein Problem ist, dann lässt sich fragen, in welchem anderen Kontext das Problem sinnvoll wäre oder vielleicht sogar eine gute Lösung.
Das klingt vielleicht paradox, aber wie das Beispiel zeigt, ist es gar nicht so schwer, einen „Frame“ zu ändern. Bedeutung oder Sinn gibt es ja nicht a priori, sie werden von den Beobachtenden konstruiert. Je nachdem in welchen Kontext ich zum Beispiel eine Aussage setze, versehe ich sie mit anderer Bedeutung. Dieser Vorgang ist meist nicht bewusst und so kommt es zu diesen Wahrheiten und Klarheiten und Problemen, die scheinbar „so sind“.
Im Coaching aber auch in Gesprächen mit Kolleg:innen, Mitarbeitenden, Freund:innen lässt sich Reframing nutzen, um Bedeutung zu verändern. Große Probleme werden plötzlich klein oder sogar zur Chance. Und für diesen kurzen Moment geht der Vorhang der Wahrnehmung auf und mir wird klar, dass Bedeutung nur meine Konstruktion ist und der Kontext meine Wahl.
Wie Sie es konkret im Gespräch nutzen können:
Fragen Sie nach dem Problem – warum ist es ein Problem für Ihr Gegenüber. Unterstützen Sie dann bei der neugierigen Suche, in welchen Kontexten das Problem kleiner ist und welche positiven Funktionen das Problem für die Beteiligten oder für das Gesamtsystem haben könnte.
Fragen Sie dann, welche dieser Funktionen oder Kontexte besonders passend erscheinen und was Ihr Gegenüber tun kann, um diese positiven Funktionen und Kontexte zu nutzen. Was sind ganz konkrete Schritte, um diese neue Sichtweise zu festigen.
Hilfreich dabei ist die systemische Haltung der Neugier und des Nicht-Wissens. Auch wenn Sie Meinungen haben, welche Funktion oder welcher Kontext „der passendste“ wäre – behalten Sie es für sich! Ihr Gegenüber weiß es am besten.
Viel Spaß beim Reframen!
Über die Autorin
Franziska Fink ist systemische Beraterin & Coach, Purpose-Expertin, Buch-Autorin und gemeinsam mit Nicole Lauchart-Schmidl auch Programmleiterin des Neuwaldegger Coaching Campus. Die Beiden haben ein neues Konzept für unsere Coaching-Aus- und Weiterbildung entwickelt, bei dem man nicht nur coachen lernt und ab dem ersten Modul selbst coacht, sondern auch von erfahrenen Coaches gecoacht wird.
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