Ein sehr persönlicher Review auf das 1. Jahr bei Neuwaldegg inkl. Corona-Krise
Insa Meier ist wenige Tage vor Beginn der Corona-Krise zu Neuwaldegg gestoßen. Hier zieht sie Bilanz über ihr erstes, sehr außergewöhnliches Jahr und gibt damit auch Einblick in unser Arbeit, in der kein Stein auf dem anderen geblieben ist …
Heute ist der 28. Februar 2021 und morgen jährt sich mein „fixer“ Einstieg als Beraterin bei der Beratergruppe Neuwaldegg. Wenn mich jemand fragen würde, ob dieses erste Jahr so war, wie ich es mir vorgestellt hatte, dann wäre meine klare Antwort „Nein, überhaupt nicht!“. Darüber möchte ich gerne reflektieren (Jahresmarken werden ja immer gerne als Anlass für solche Reflexionen genommen): Woran liegt das?
Das liegt vor allem an Corona und allen sich daraus ergebenden Veränderungen. Ich hatte erwartet, dass ich in vielen Live-Workshops mit meinen Kolleg:innen gemeinsam Präsenz(!)-Workshops gestalte. Das führte bislang auch zu vielen Reisen. Wenn ich in meinem Kalender nachsehe, dann sehe ich im letzten Jahr (abgesehen von Kundenterminen innerhalb Wiens) gerade mal vier berufliche Termine außerhalb Wiens. Eine Reise nach Hamburg, eine nach Zürich und im Anschluss gleich weiter nach Berlin und ein zweitägiger Aufenthalt in einem Seminarhotel in der Steiermark. Ist das gut? Nun, das kommt drauf an, mit welcher Brille man darauf schaut.
Aus der Perspektive des ökologischen Fußabdruckes ist das hervorragend – mein Beitrag zum Klimawandel war definitiv um einiges geringer als in den Vorjahren.
Aus der Perspektive der Kunden- und Kolleg:innenbeziehungen ist es schwieriger zu beurteilen. Wären die Beziehungen zu unseren Kund:innen noch tiefer, besser, offener wenn man sich öfter gesehen hätte? Mit manchen Kund:innen, habe ich den Eindruck, es wäre kein oder kaum ein Unterschied, bei anderen bin ich mir weniger sicher. Den empirischen Beweis gibt es dafür natürlich nicht. Den Kollegen, mit dem ich aktuell am meisten zusammenarbeite, habe ich seit August nicht mehr live gesehen. Fehlt da was? Schwer zu sagen. Dafür kenne ich den Blick in seine Küche, er war online live dabei als meine Pasta auf dem Herd anbrannte und ich weiß, dass er morgens immer spazieren geht. Diese Dinge wüssten wir sonst vielleicht nicht übereinander.
Aus der Brille der privaten Ausgeglichenheit betrachtet war das wenige Reisen ein Gewinn: mehr Zeit für Dinge, die wirklich wichtig sind. Kein Essen im Seminarhotel, worauf man gerade keine Lust hat, keine endlosen Wartezeiten an Flughäfen und Bahnhöfen. Fehlt es mir trotzdem irgendwie? Ein klares Ja!
Corona hat auch dazu geführt, dass wir alle und ich auch viel lernen durften. Wir haben Glaubenssätze, was im virtuellen Setting möglich ist und was nicht, hinterfragen müssen und nicht selten festgestellt, dass mehr geht als wir vorher geglaubt hatten. Hätte ich vor einem Jahr gedacht, man könnte Change Agents, die in ganz Europa verteilt sind, virtuell gut ausbilden oder Teamworkshops mit tollen Resultaten und mehr Zusammenhalt rein digital durchführen? Wohl kaum. Ging es trotzdem gut und funktionierte (fast) reibungslos? Ja! Mit Teams und anderen virtuellen Plattformen arbeiten, Leute virtuell in Interaktion bringen, offene Gespräche in Gang bringen – das geht uns jetzt schon leicht von der Hand.
Corona hat auch wirtschaftlich Spuren bei Neuwaldegg und somit auch bei mir hinterlassen. Weniger Umsätze, große und kleine Projekte abgesagt oder verschoben. Inzwischen hat sich alles gut eingependelt. Auch diese Unsicherheiten waren anders als erwartet.
Auch bei internen Meetings ist vieles anders als erwartet. Unser zweiwöchentlich stattfindender Teamtag findet virtuell statt. Wir schaffen es eine große Nähe zu erzeugen, aber oft frage ich mich, ob dort alle Themen auch angesprochen werden können, um gemeinsam zu wachsen. Sich virtuell zu verstecken ist viel leichter, das sagen wir ja auch unseren Kund:innen. Wäre das anders, wenn wir im selben Raum wären? Die Antwort ist nicht einfach und lautet vermutlich: wahrscheinlich oder vielleicht.
So weit also zu den Erwartungen, die vor allem dank oder wegen Corona nicht erfüllt wurden. Was aber ist sonst noch ganz anders oder vielleicht doch so wie ich dachte?
Fangen wir mit unserem Betriebssystem Holacracy an. Hätte ich mir erwartet, dass ich es nach einem Jahr verstehe? Ja. Verstehe ich es? Nun ja, nicht zur Gänze. Das gehört wohl auch dazu. Ich durfte lernen, dass es Commitment zeigt, sich selbst in bestimmte Rollen zu wählen. Welche Themen in welchen Kreis gehören (oder auch nicht). Wie welches Meetingformat heißt und dass man Einwände zu Vorschlägen freudvoll und strukturiert bearbeiten kann. Und dass wir alle permanent dazulernen was Holacracy angeht.
Machen wir weiter mit meinen Rollen in diesem Betriebssystem. Im Laufe des Jahres sind zu den ursprünglichen zwei Rollen Berater:in und Projektleiter:in in einem einzigen Kreis ganze zehn weitere Rollen in insgesamt fünf Kreisen dazugekommen, die ich energetisiere (das ist ein Wort aus dem Holacracy-Kontext, den Wortschatz beherrsche ich also schon – die Grammatik nicht immer). Und das macht es jetzt umso spannender. Noch mehr Einblick, noch mehr erwartbare Handlungen, noch viel mehr zu tun. Hätte ich das erwartet? Nein, nicht so. Aber dort waren meine Erwartungen wohl auch recht unscharf.
Ein kleiner Einblick in Neuwaldegg-Interna: Bei manchem hätte ich erwartet, dass wir schon weiter sind. Klarere Prozesse haben, digitaler aufgestellt sind. Gelegentlich konnte ich meine vorherigen Erfahrungen dann gut einbringen und somit etwas weiterentwickeln. In anderen Bereichen war Neuwaldegg schon viel weiter als ich dachte.
Zum Team: ich habe erwartet, dass ich meine Kolleg:innen nach einem Jahr ganz gut kenne. Das ist auch gelungen. Mit fast allen durfte ich in dem einen oder anderen Setting gemeinsam Erfahrungen sammeln. In unterschiedlicher Intensität, aber doch so, dass man sich kennt und weiß wie der oder die andere „tickt“. Da waren natürlich auch einige Überraschungen dabei.
Eine Erwartung ist jedoch klar erfüllt worden: ich wollte etwas lernen und mich entwickeln. Und das habe ich auch! Nicht immer das, was ich geplant hatte zu lernen. Und nicht immer so, wie ich es gern wollte. Manchmal war es schmerzhafter als (von mir) gewünscht. Manchmal war es leichter als befürchtet. Und oft war es intensiver als ich vorher erwartet habe.
Was ist jetzt das Fazit dieser Bilanz? Expect the unexpected. 😊
Die Autorin
Insa Meier beschäftigt sich schon seit vielen Jahren als Beraterin mit den Themen Führung, Zusammenarbeit im virtuellen Setting und Agile Transformation. Bei Neuwaldegg hat sie das erste komplett virtuelle Weiterbildungsformat „Remaking Organizations – A Digital Journey“ entwickelt. In unserem holakratisch organisierten Betriebssystem energetisiert Insa insgesamt 12 Rollen, z. B. Digital Enlightner, Flourisher, Marktkommunikation, Nachhaltiges Neuwaldegg, Produkt Prototyper, …