Mit dem System-Check rasch zu Entscheidungen kommen
Wir lernen viel in dieser Krise – auch, unter Unsicherheit rasch Entscheidungen zu treffen. Unsere Kunden waren in den vergangenen Wochen mit schwierigen Fragen konfrontiert: Wie viele Rückholflüge für Österreicherinnen in China machen wir noch und wie lange? Kann ich mir leisten, unsere Maschinen nicht mehr in Asien, sondern in Europa reparieren zu lassen? Wie schaffe ich es, jetzt sofort die Prozesse zu automatisieren? Kündigen oder Kurzarbeit – was werden wir uns leisten können? Wie wäge ich ökonomisches Interesse gegen gesellschaftliche Gesundheit ab?
Das Geschäft des Managements ist es, Entscheidungen zu treffen. Aber was, wenn „in Zeiten wie diesen“ all das in größtmöglicher Unsicherheit und Ungewissheit geschieht – und unter Zeitdruck?
Die Kopf-in-den-Sand-Taktik
Da gibt es die Kopf-in-den-Sand-Taktik – aber die zerstört die Frisur und das Problem kriecht einem den Rücken hinauf. Entscheidungen verengen unseren Blick, wir sind reduziert auf ein „entweder oder“. Der Druck steigt – ein wirkliches Dilemma.
Nach oben delegieren
Da gibt es die Taktik, die Verantwortung nach oben zu delegieren oder irgendwo anders hin – aber das macht die Entscheidung meist schlechter, weil sie dann jemand trifft, der weiter vom Problem weg ist als Sie.
Oder die Herausforderung annehmen …
Wenn Sie die Herausforderung annehmen, all das Schwer-Entscheidbare zu entscheiden, haben wir ein gutes Tool für Sie. Wir nennen es den System-Check.
Sein Ursprung ist das System-Brett aus dem systemischen Coaching. Das geniale daran: der System-Check hilft Ihnen, das soziale System, in dem Sie sich mit Ihrem Problem bewegen, sichtbar zu machen. So stellen Sie sicher, dass Ihre Lösung anschlussfähig ist. Er unterstützt Sie dabei Ihren Blick wieder zu weiten, vom Reagieren ins Gestalten zu kommen. Er öffnet im wahrsten Sinne, einen Entscheidungsraum.
So einfach geht’s:
Nehmen Sie sich zwei weiße Din A4-Blätter und „Figuren“, die Sie gerade zur Hand haben – das können Büroklammern, Zuckerstückchen oder Textmarker sein.
Ein Papier legen Sie vor sich, die Figuren an die Seite. Auf das zweite Papier schreiben Sie das Ergebnis, das Sie von dem System-Check wünschen. Schreiben Sie in einem Satz auf, was dann geklärt sein soll. Dazu noch ein Hintergrund: In den meisten Fällen geht es bei Entscheidungen um „entweder das Eine oder das Andere“, auch dann, wenn es scheinbar ein ganzes Bündel von Möglichkeiten gibt, die zur Auswahl stehen. Hier hilft es, eine zeitliche Reihenfolge einzufügen. Was gilt es zuerst zu entscheiden, was als Nächstes?
Hintergrund-Information
Unter Ihr gewünschtes Ergebnis zählen Sie dann auf, wer aller davon betroffen ist: Sie selbst, Mitarbeiter:innen? Vorgesetzte? Kolleg:innen? Kund:innen? Partner:innen? Lieferanten? … Wenn alle aufgeschrieben sind, legen Sie das Blatt in Sichtweite.
Nun beginnen Sie mit dem System-Check
Das leere Papier vor Ihnen ist Ihr System. Nun beginnen Sie mit dem System-Check zu Ihrer Frage. Wenn Ihre Frage z.B. lautet: „Die Maschinen in Asien (A) oder in Europa (B) reparieren lassen?“ – Ihre Frage ist also: Entweder A oder B.
Wo stehen Sie aktuell?
Das kann so auf Ihrem Blatt aussehen: Legen Sie zuerst ein Symbol für A auf Ihr Blatt und gegenüber eines für B. Dann eines für Sie selbst – wo stehen Sie aktuell?
Sowohl als auch …
Jetzt geht es um die Erweiterung des Entscheidungsraumes, hin zu „sowohl als auch“. Also eine Form (oder auch verschiedene) von A und B. Sie müssen noch nicht wissen, was diese Formen von Beides sein könnten. Legen Sie einfach ein Symbol dazu.
Weder noch …
Und es gibt noch eine Möglichkeit, nämlich die „weder noch“. Auch das könnte eintreten. Auch dafür legen Sie ein Symbol.
Betrachtung von unterschiedlichen Perspektiven
Dann können Sie Ihr System von unterschiedlichen Perspektiven (verschiedene Seiten des Tisches) betrachten. Machen Sie mit dem Symbol, das Sie für sich selbst gewählt haben, einen Ausflug zu den unterschiedlichen Möglichkeiten und achten dabei auf die Unterschiede, die in Ihren Gedanken und Gefühlen entstehen.
Wer ist noch betroffen?
Welche Systemmitglieder würden die Auswirkungen der unterschiedlichen Entscheidungen noch bemerken? Wer von Ihrer Liste würde sich hier zu Wort melden? Wählen Sie Figuren für die wichtigen Stakeholder und geben Sie Ihnen jeweils eine Position – wo zieht es die Figur hin?
Beides, A und B
Gehen Sie zur Option „Beides A und B“ und sammeln Sie Varianten – wie könnte das gelingen? Meistens ist es nicht möglich, alles aus A und B in beidem zu integrieren, Teile davon sind oft gut möglich.
Ein Beispiel …
Eine Führungskraft beschrieb im Coaching folgende Herausforderung. Sie hatte die Möglichkeit bekommen von der Bereichsleitung in die Geschäftsführung zu wechseln.
Die Entscheidung war: A= ihre jetzige Position behalten oder B= in die Geschäftsführung wechseln.
A hatte viele Vorteile, sie konnte ihre Expertise als Bereichsleitung sehr gut einbringen, wichtige Weichen für ein Change-Projekt waren gerade erst gesetzt und das Management Team war gerade gut eingespielt.
B war eindeutig ein Karriere-Schritt, einer der viel beachtet werden würde, gleichzeitig war die Position ausgestattet mit vielen Pflichten, da allerdings in einer Dreier-Geschäftsführung mit nicht so vielen Rechten. Die Varianten von Beidem waren hier besonders spannend, wie kann es gelingen Visibilität und Expertise zu vereinen?
Sie werden sehen wie rasch sich innerlich Ihre Entscheidung formt, wenn Sie auf diese Art das System „durchleuchtet“ haben. Wer weiß – vielleicht entsteht dabei auch das Weder-noch – eine ganz neue Option. Probieren Sie es aus!
Die Autorinnen
Franziska Fink ist systemische Beraterin & Coach, Purpose-Expertin, Buch-Autorin und Programmleiterin des neuen Neuwaldegger Coaching Campus. Sie hat ein neues Konzept entwickelt, bei dem man nicht nur coachen lernt und ab dem 1. Modul selbst coacht, sondern auch von erfahrenen Coaches gecoacht wird.
Nicole Lauchart-Schmidl ist systemische Beraterin und erfahrener Coach. Gemeinsam mit Franziska Fink ist sie Trainerin beim Coaching Campus, der im Oktober 2020 starten wird.
Der Coaching Campus
In unserem kompakten Beratungs-Lehrgang lernen Sie systemisches Coaching – das konkrete Handwerk, genauso wie die Theorie und die Haltung. Nach den vier Modulen können Sie Ihre Kompetenz als systemischer Coach für sämtliche berufliche Anliegen Ihrer Kund:innen einsetzen und haben die Coaching-Haltung und -Werkzeuge in Ihre (Führungs-)Arbeit integriert. Parallel zum Campus begleitet Sie ein Coach in Ihrem persönlichen Lernprozess. Der Coaching Campus startet im November 2020.