Wie können wir auch in belastenden Zeiten resilient bleiben? Teil 4
Lösungs- und Zukunftsorientierung als Teil von Resilienz, oder … Warum nicht den Everest besteigen? Nein, das ist hier kein Werbetext für eine wirkliche Reise auf den Mount Everest (zu teuer, nicht nachhaltig, gefährlich, …). Aber es ist eine Werbung für eine Haltung, die uns resilient macht. Vielleicht sogar so resilient, dass wir den Everest besteigen könnten, wenn wir denn wollten.
Die Rede ist von Lösungs- und Zukunftsorientierung
Diese umfasst zwei wesentliche Aspekte: Blickwinkel und Bewegung
- Den Blickwinkel:
Resiliente Personen lenken ihre Konzentration nicht länger als nötig auf die Analyse der Problemsituation und das Erkunden möglicher Ursachen (in der Vergangenheit). Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf Lösungsansätze (in der Zukunft). Lösungsorientiert zu sein bedeutet für sie aber auch, Teillösungen oder vorläufige Lösungen anzunehmen. - Die Bewegung:
Resilient zu handeln heißt Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv auf die Suche nach Lösungen zu begeben und damit – implizit oder explizit – nach gewissen Zielen zu streben. Damit lernen Personen aus ihrer erlernten Hilflosigkeit herauszutreten.
Passende Zitate
„Reden über Pobleme schafft Probleme. Reden über Lösungen schafft Lösungen.“ (Steve de Shazer)
„Das Leben ist wie Fahrradfahren. Man muss in Bewegung bleiben, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.“ (Albert Einstein)
Personen sind resilient, wenn …
sie davon ausgehen, dass (negative) Ereignisse der Vergangenheit
- einem nicht „einfach passieren“ (wegen externer Faktoren wie z. B. der Wirtschaftskrise, den Politiker:innen, dem Schicksal, Gott, …).
- veränderbar sind, anstatt sich ewig zu wiederholen.
- spezifisch waren und keinem generellen, ewig-gültigen Muster entsprechen.
Sobald Veränderbarkeit gesehen und Verantwortung für Situationen übernommen werden, können Personen aktiv werden, ihre eigene Zukunft gestalten und dadurch Resilienz entwickeln.
Kompetenzen wie Offenheit, Neugierde, die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und kreativer Einfallsreichtum sind hilfreiche Wegbegleiter, wenn es darum geht, nach neuen Lösungen zu suchen und originellen Gedankengängen freien Lauf zu lassen. Sie geben Problemlösungsprozessen immer wieder einen kreativen Freiraum, um neue Denk-, Verhaltensweisen und Routinen zu entwickeln.
Sich große Ziele stecken
Eine weitere Kompetenz ist es, sich große Ziele zu stecken und zu verfolgen (nicht unbedingt, sie zu erreichen!). Und da wären wir wieder beim Mount Everest! Laut David Cameron, einem Pionier der Anwendung positiver Psychologie auf Organisationen, sollten wir Ziele verfolgen, die größer sind als üblich. Sogenannte “Everest-Ziele“. Sie zeichnen sich wie folgt aus …
Kriterien von „Everest-Zielen“
1. Sie beinhalten eine Verbesserung (keine Vermeidungsziele!).
2. Sie sind Selbstzweck, d. h. wir verfolgen sie aufgrund ihrer selbst willen.
3. Sie fokussieren auf Möglichkeiten, Chancen und Potenziale.
4. Sie schaffen einen Beitrag für andere.
5. Sie lösen positive Energie bereits durch den Prozess der Zielerreichung aus.
Probieren Sie es aus!
Rufen Sie sich ein Ziel ins Gedächtnis, das Sie sich vor Kurzem gesetzt haben und testen Sie es mit folgenden Fragen (nach Judith Mangelsdorf):
Testfragen für Ihr Ziel
- Ist das Ziel positiv formuliert?
- Motiviert es Sie? Würden Sie dieses Ziel auch wollen, wenn Sie niemand davon erzählen dürften? Würden Sie es verfolgen, auch wenn Sie niemals „belohnt“ würden dafür?
- Stellen Sie sich vor, Ihr aktuelles Ziel liegt auf Stufe 1 einer Skala. Wie würde das Ziel lauten, wenn es auf Stufe 10 läge?
- Inwieweit und für wen ist es wertvoll, nach dem Ziel zu streben?
- Welche Potenziale, Ressourcen oder Stärken setzen Sie am Weg ein?
- Welchen Beitrag leistet das Ziel für andere?
- Welches Gefühl ruft es bei Ihnen hervor, wenn Sie sich in Richtung des Ziels bewegen?
Quelle: Mangelsdorf, Judith (2020): Positive Psychologie im Coaching. Positive Coaching für Coaches, Berater, Therapeuten. Wiesbaden: Springer Verlag.
Über die Autorinnen
Astrid Reinprecht ist unsere frischeste Neuwaldegger:in. Seit 2023 verstärkt sie die Beratergruppe mit ihrer Expertise, die sie aus Wissenschaft, öffentlichem Dienst, aus der Kultur und Non-Profit Organisationen mitgebracht hat. Die Mediatorin und systemische Beraterin begleitet Einzelpersonen, Teams und Organisationen in Konflikten und Veränderungsprozessen. Inspiriert von den empirischen Einsichten der positiven Psychologie hat sie 2019 ein Buch zu Positiver Mediation geschrieben, um zu zeigen, wie das Potenzial positiver Wahrnehmungen von Stärken- und Lösungsfokussierung auch in schwierigen Situationen genutzt werden kann.
Elisabeth Dudak ist Co-Programmgestalterin des Neuwaldegger Coaching Campus. Equity Partnerin der Beratergruppe Neuwaldegg. Ihr Credo: „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist“. Die Psychologin und systemische Beraterin ist eine in sich ruhende, gut zuhörende, überlegte und mitfühlende sowie ermutigende Wegbegleiterin, die Chancen für Menschen und Organisationen sicht- und nutzbar macht. Sie beschäftigt sich intensiv mit Positive Leadership und Psychological Safety und unterstützt Teilnehmer:innen bei ihrer Weiterentwicklung in einigen unserer Entwicklungsräume in Form von Potenzialanalysen und Coaching. Ihr Wissen und ihre Erfahrung gibt sie als Lehrtrainerin im Neuwaldegger Coaching Campus weiter.
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