Wenn Krisen Krisen folgen
„Die Transformation ist gelungen“—doch kaum am Gipfel, überraschte uns eine Talfahrt!
Ein Artikel von Frank Boos, Franziska Fink, Gregor Tobeitz
Auf in die Krise
«Niemand hat das Unternehmen wegen fehlender Dynamik verlassen» war in dem ersten Artikel (erschienen in der OrganisationsEntwicklung Nr. 1/2015) unsere frohe Feststellung. Nach drei Jahren herausfordernder Veränderung der Firmenstruktur, des Gehaltsmodells und der Spielregeln, war das neue Organisationsmodell «Holacracy» (Robertson 2015) endlich in Fahrt. Der alte Pioniergeist war wiedererwacht. Alle jungen Beraterinnen waren an Bord geblieben, der Generationswechsel schien geglückt. Der Markt reagierte mit Interesse und Aufträgen zu genau den Themen, die wir an uns selbst beforschten: agiles Management, Selbstorganisation, neue Meetingformate, klare Schnittstellen in der Matrix-Struktur. Das Werk brummte.
Wer uns nur ein halbes Jahr später besuchte, traute seinen Augen nicht: wir durchlebten eine der größten Krisen seit Gründung vor 35 Jahren. Vier vorwiegend junge Berater hatten gleichzeitig die Firma verlassen. Sie wollten selbstständig sein mit spezifischem Fokus. Überraschung und Enttäuschung mischten sich mit Ärger und Unverständnis. Wie konnte es sein, dass in einem System wie Holacracy, das Spannungen transparent machen soll, diese Abspaltung nicht sichtbar geworden war? Wir hatten miteinander gerungen, Zeit und Geld investiert, um gemeinsam die Firma weiter zu entwickeln. Wir wähnten uns bereits am Ziel und wollten uns nach drei Jahren interner Arbeit Neuem zuwenden. Dann dieser Abgang aus heiterem Himmel. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte uns dies nur irritiert, jetzt verunsicherte es uns. Können wir einfach weitermachen? Was hatten wir übersehen? Welche Prioritäten galt es jetzt zu setzen?
Arbeiten, Entscheiden, Trauern
Die Gesellschafter verstanden sich als stabiler Kern. Doch der Schock saß tief, Entscheidungen wurden getroffen und wieder revidiert. Um mehr Klarheit zu schaffen, wurde schließlich einem der Eigentümer als alleinigem Geschäftsführer das Mandat für alle Gesellschafterthemen übertragen. Die Gesellschafterrunde als Entscheidungsgremium löste sich auf. Nach 35 Jahren ein historischer und richtiger Schritt, um die holakratische Struktur konsequent zu leben. Für Trauerarbeit hatten wir wenig Zeit—stattdessen liefen wir zu den Kundinnen. Die Nachfrage war so groß wie noch nie, ein heißer Herbst führte zu einem der umsatzstärksten Jahre der Firma—und das in dieser Krise. Wie ist dies zu erklären? Vermutlich spürte der Markt unseren Aufbruch, und wir waren offen für neue Anfragen. Unter all dem Aktionismus regten sich dennoch Unsicherheit und Schmerz. Holacracy holperte. Zweifel wurden laut: Sind wir damit auf dem richtigen Weg? Trotzdem wurde mit der Suche nach neuen Beraterinnen begonnen. Der Jahreswechsel markierte schließlich die Wende. Unsere Entscheidungen wurden spürbar: Teile des alten Büros wurden abgegeben, Gespräche mit neuen Beratern erfolgreich abgeschlossen, die Purpose Quest vorbereitet.
«Bei zunehmender Komplexität gewinnt der Purpose an Bedeutung. Wo sich Märkte und Stakeholder permanent wandeln, ist es sinnvoll, die Steuerung von Außen- auf Innenorientierung umzustellen.»
Wir freuen uns, wenn Sie wissen möchten, wie es bei uns weitergegangen ist. Dazu finden Sie hier den vollständigen Beitrag im Online-Archiv der OrganisationsEntwicklung.