40 Jahre Neuwaldegg
Heinz Jarmai, Gründungsmitglied der Beratergruppe Neuwaldegg erzählt anlässlich unseres 40. Jubiläums wie das 1980 war, als ein paar junge Berater mit engagierten Menschen aus Organisationen etwas ganz Neues in die Welt bringen und im Zusammenspiel von Personen, Organisation und Technologie die Welt ein Stück besser und interessanter machen wollten …
1980 war das Jahr in dem ich 30 Jahre alt wurde, unser erstes Baby auf die Welt kam, wir eine neue Wohnung bezogen und Neuwaldegg gegründet haben. Sechs, damals noch halbwegs junge Männer machten sich auf den Weg ein paar neue Dinge zu versuchen. Sie kamen aus einer größeren Beratungsfirma im Bankeneigentum und wollten, mit viel Unterstützung ihrer Frauen, als Gruppe von rechtlich, finanziell und verantwortungsmäßig Gleichgestellten ein Unternehmen gründen, aufbauen und vor allem auch operativ führen.
Unser reales Organisations-Laboratorium
Alles was wir kannten, haben wir einfach ausprobiert: z.B. die Suche nach dem Firmennamen mit Bionik oder die Verwendung des Tiersoziogramms, um über Begabungen und Motive tiefer ins Gespräch zu kommen. Und wir haben natürlich stundenlang geredet und dazu viel Rotwein getrunken. Weitergebracht hat uns eine Melange aus hartnäckigen Strukturierungsversuchen, Ausprobieren und ganz oft war es auch einfach der Zufall. Wir haben ihm eine Chance gegeben.
Warum Beratergruppe Neuwaldegg?
Wir wussten recht genau was wir wollten und was nicht. Über Wochen haben wir Ideen gesucht und uns im Markenregister schlau gemacht, was möglich ist und was nicht. Eines Tages fand dann ein Kollege einen Standort für unser erstes Büro in Neuwaldegg (ein kleiner Stadtteil Wiens, im 17. Bezirk). Am Abend erzählten wir zuhause glücklich davon und eine unserer Partnerinnen sagte: „Beratergruppe Neuwaldegg!? – das wäre doch schön, oder?“. Und tatsächlich war das viel mehr unser Ding als die ursprüngliche Idee: „Vienna Consulting Group“. Die ließen wir fallen und hatten einen Firmennamen: Beratergruppe Neuwaldegg. In das erwähnte Büro sind wir übrigens niemals eingezogen.
Am neuesten Stand der Technik …
Als kleine, aber anspruchsvolle Firma wollten wir auch unseren ersten größeren Kunden signalisieren, wie professionell wir in allen Dingen waren. Wir hatten hitzige Diskussionen über die Sinnhaftigkeit einer eigenen Telex-Anlage mit allen Kosten-, Technik-, Anwendungs- und sozialen Aufladungen. Kaum hatten wir uns in einigen Schleifen zu einem „Ja zur Telex-Anlage“ durchgerungen – da hörten wir, dass bald noch etwas Innovativeres auf den Markt kommen würde – die ersten Telefax-Anschlüsse! Wir entschieden uns natürlich für die allerneueste Technik. Damit konnten wir dann schon einmal mit einem super-modernen Auftritt glänzen. Großartig.
Entscheidungsprämissen
Vor die größte Herausforderung stellte uns wohl die Frage, wie wir die Gleichberechtigungsidee mit dem Wissen (und Wollen) um unsere unterschiedlichen Talente und Energien halbwegs ausbalancieren konnten? Über das Prinzip konnten wir uns relativ rasch verständigen: „Gleiche Möglichkeiten für alle – differenzierte Bezahlung nach den jährlich erbrachten Leistungsbeiträgen“. Schon damals wussten wir, dass es Prinzipien braucht, aber die Strukturen (heute würden wir „Entscheidungsprämissen“ sagen) das Leben leiten – also ran an die wirklichen Dinge.
Gesellschafter zu gleichen Teilen und den Geldtopf aufteilen
Alle wurden Gesellschafter zu gleichen Teilen und gleichberechtigte Geschäftsführer. Geld gab es jedoch nach den jährlich erbrachten Leistungen. Ja, und wer sollte darüber entscheiden? – Wir natürlich! Und so saßen wir am Jahresende rund einen Tag lang zusammen, hatten unsere vier Kriterien (Umsatz, Akquisition, Wirkung nach Außen und Wirkung nach Innen), trugen alles zusammen, an was wir uns noch erinnern konnten, diskutierten Beiträge und Wirksamkeiten. Dann verteilte jeder in den genannten Kategorien 100 Punkte auf die Anderen und auf sich. Offen, mit der Möglichkeit des Nachfragens – und so wurde der „Geldtopf“ des Jahres verteilt. Nicht immer waren damit alle zufrieden und fanden all das gerecht. Aber das Jahr war gelaufen und für das nächste Jahr war alles wieder auf Null gestellt.
Integrierte Organisationsentwicklung
Und die Kundenperspektive gab es natürlich auch – glücklicherweise hatten wir als Personen schon alle ein wenig Bekanntheit und eine (zumindest für uns 😉) tolle Geschichte zu erzählen:
Wir machen integrierte Organisationsentwicklung:
Wir verbinden Betriebswirtschaft / Technik mit sozialen Aspekten der Führung und Kooperation und bringen damit Unternehmensentwicklung wirklich voran.
Ein Kunde hatte uns auch fix zugesagt, ein wirklich großes Projekt mit uns zu machen. Das gab uns vermutlich das letzte Quentchen Sicherheit, unsere Idee auch wirklich umzusetzen. Das Perturbations-Muster begleitete uns auch in diesem Bereich: Der Kunde hat sich dann doch anders entschieden und aus dem großen Projekt wurde nichts. Wir waren frei und konnten (und mussten) also ganz neu beginnen.
Wir bekamen viel Unterstützung …
Alleine wäre es uns wohl nie so gelungen, viele Partner haben uns in dieser Anfangszeit ganz entscheidend unterstützt – unsere Ehefrauen habe ich schon erwähnt. Ganz wesentlich war es in den ersten Jahren unsere Lern- und Arbeitspartnerschaft mit der Conecta im engeren Sinne und mit dem später „Wiener Schule der systemischen Beratung“ genannten Netz an Kolleginnen und Kollegen im weiteren Sinne.
Mit den Kund:innen Neues erproben
Viel Neues durften wir mit unseren Kund:innen erproben – ich bin ihnen heute noch dankbar dafür, worauf sie sich mit uns eingelassen haben.
Immer wieder Neudenken und Weiterentwickeln
Und dann kamen Schritt für Schritt neue Kolleginnen und Kollegen dazu und haben sich und uns immer wieder auf eine nächste Entwicklungsstufe geschubst und gezogen – dieses permanente Weiterentwickeln ist vielleicht das wesentlichste Element in den Genen von Neuwaldegg. Bis heute.
Autor:
Heinz Jarmai ist Neuwaldegger der ersten Stunde und Senior Partner der Beratergruppe Neuwaldegg. Die momentanen Herausforderungen sieht er darin, wie wir Gemeinwohl und individuelle Nutzenperspektiven verbinden, wie wir Selbstorganisation mit Steuerungserwartungen anderer balancieren, wie Sozial- und Organisationsdynamiken miteinander auskommen. Neue Antworten zu finden macht ihm Spaß, mit der nächsten (und manchmal schon übernächsten) Generation Wissen zu teilen und neu zu verbinden, Menschen zu unterstützen und das Potenzial von Organisationen zu erweitern. Nicht stehen bleiben, persönlich und beruflich, ist wahrscheinlich das dahinterliegende Credo.