Wie ein Hotelier Raum für Wachstum und Entwicklung schafft …
Unser Berater David Max Jeggle war mit seiner Familie bereits mehrfach Gast im Mountain Resort Feuerberg und immer wieder von der authentischen Zugewandtheit jedes Mitarbeitenden begeistert. Wie genau gelingt es, auf diese Weise einen spürbaren Unterschied zu machen? Welche Führung steckt dahinter? Das hat David Max Jeggle im Gespräch mit Erwin Berger, Inhaber und Geschäftsführer des Feuerbergs, erörtert. Im Interview beschreibt Erwin Berger, wie er seinen Familienbetrieb zum Resonanzboden für individuelle und unternehmerische Entwicklung macht und dabei viel von dem umsetzt, was wir von der Beratergruppe Neuwaldegg in unserem aktuell erschienenen Buch „Moving Organizations“ beschreiben.
David Max Jeggle: Herr Berger, auf Ihrer Website kann man erfahren, dass Sie den Feuerberg seit 2007 gemeinsam mit Ihrer Frau führen und seither fortlaufend weiterentwickeln. Mir scheint, dass die Entwicklung Ihres Unternehmens eng verbunden ist mit der Entwicklung ihrer Mitarbeiter:innen.
Erwin Berger: Ja das stimmt. Uns ist es sehr wichtig, dass sich die 145 Menschen in unserem Team gemeinsam mit uns weiterentwickeln. Das Unternehmen bietet Ihnen das passende Milieu dafür. Der liebevolle Umgang miteinander, mit unseren Mitarbeitenden steht im Mittelpunkt. Die Folge davon ist der liebevolle Umgang nach außen. Ohne den Fokus nach innen, brauche ich gar nicht anfangen, nach außen zu schauen.
Meine Frau und ich sind fest davon überzeugt: Ich muss Mensch sein und mich einbringen, vor allem aber muss ich menschlich sein. Das betrachten wir als das A & O, als die Basis für alles was wir tun. Menschlichkeit und der liebevolle Umgang sind für uns elementar. Das weiß jeder hier im Team. Das strapazieren wir ganz bewusst so. Wer nicht menschlich ist, mit dem gibt es ernste, nachhaltige Gespräche.
Zugleich finde ich es natürlich, an diesem Anspruch auch immer wieder zu scheitern. Das gestehe ich mir selbst zu und auch meinen Mitarbeitenden. Wichtig ist es, das Scheitern als Chance zu nutzen, um sich zu entwickeln, sich zu verbessern.
David Max Jeggle: Fehler nutzen, um zu lernen: Das ist kennzeichnend für achtsame Organisationen. Für Organisationen, die eine wachsame, neugierige Haltung gegenüber Fehlern pflegen und zugleich einen Rahmen gestalten, der Mitarbeiter:innen stärkt und fördert. In unserer Beratungspraxis beobachten wir, dass Vertrauen dabei eine wichtige Rolle spielt. Wie sehen Sie das?
Erwin Berger: Gefühlt beschreibt Vertrauen für mich einen Zustand, in dem ich mich etwas traue. Dafür braucht es ein bestimmtes Milieu, einen Schutzraum, in dem ich mich öffnen, meinen Panzer weggeben und mich verletzlich zeigen kann. Vertrauen zieht in einen Bereich hinein, der mit Unsicherheit behaftet ist. Nikolaus Harnoncourt, der berühmte Dirigent, hat einmal gesagt: „Schönheit und Sicherheit vertragen sich nicht!“. Schönheit ist für uns übrigens auch elementar. Schönheit entsteht dort, wo du etwas riskierst, wo du loslässt.
Zugleich hat Vertrauen auch viel mit Selbstvertrauen zu tun. Das Milieu und das Vertrauen in mich selbst sind zwei Seiten einer Medaille. Ich habe Musik studiert. Daher nehme ich gerne den Dirigenten und sein Orchester als Beispiel. Der Dirigent muss dem Musiker das Gefühl geben, dass es in Ordnung ist, wie er spielt. In dieser Offenheit kann das Spiel wunderschön sein, selbst wenn mal ein Spitzenton nicht passt. Zugleich kommt das, was der Musiker dazu beiträgt, aus ihm selbst heraus. Es erwächst aus dem Vertrauen in sich selbst; nicht nur aus der Bestätigung des Umfeldes. Wir haben hier also ein permanentes Wechselspiel zwischen dem Individuum und dem Milieu.
Da entsteht etwas in der Beziehung, in diesen unbestimmten Zwischenräumen, im Dialog. Ein Milieu, das diesen Zauber des Unbestimmten zulässt, ist vielleicht noch zwingender als eins, in dem versucht wird alles zu kontrollieren, denn in der Offenheit, dem Loslassen entsteht ein Raum, in den etwas einfließen kann. Es erwächst ein Dialog: Man gibt etwas rein und man bekommt viel zurück. Nicht anders ist es im Unternehmen.
David Max Jeggle: Das ist eine spannende Beschreibung und deckt sich mit dem, was wir über agile Führung wissen. Doch viele Führungskräfte, die das in der Theorie nachvollziehbar finden, tun sich in der Praxis dann doch schwer mit dem Loslassen. Wie leben Sie Vertrauen ganz konkret auf dem Feuerberg?
Erwin Berger: Zum Beispiel, indem ich meinen Abteilungsleiter:innen eine unglaubliche Selbstständigkeit lasse. Ich schaue mir keine Rechnung, keinen Kontoauszug an. Weil es immer so funktioniert hat. Ich schaue mir nur die Quartalsberichte an. Vertrauensmissbrauch sehe ich als Fußnote. Das wird es gegeben haben, aber das habe ich schon wieder vergessen.
Wir beschäftigen 145 Mitarbeitende. Dass da mal etwas schief geht ist normal. Aber damit der soziale Container wachsen kann, braucht es genau diese Denkhaltung. Das sage ich auch immer meinen Abteilungsleiter:innen. Wir arbeiten mit durchschnittlichen Menschen, die Kunst ist es da überdurchschnittliche Leistung zu erbringen.
Die Leute bei mir wissen: Wenn sie loyal sind und sich hier einbringen, wenn sie menschlich sind, dann sind sie sicher. Darauf können sie zu 100 Prozent vertrauen. Nehmen Sie zum Beispiel eine unserer besten Führungskräfte. Die Person ist sehr talentiert und seit vielen Jahren im Haus. Es gab aber das unsererseits empfunden Manko einer manchmal inakzeptablen Rohheit im Verhalten und insbesondere auch in der Kommunikation mit allen daraus resultierenden Problemen im Miteinander. Jetzt haben wir uns zehn Jahre gemeinsam entwickelt und die Person bewegt sich mittlerweile schon ganz gut im Bereich der „gewaltfreien Kommunikation“ nach Rosenberg. Klar gibt es Rückschläge, das ist nur allzu menschlich. Ich glaube aber, dass diese Führungskraft in keinem anderen Betrieb diese Entwicklungsreise hätte machen können.
Mit so einem Menschen, der Entwicklungspotential hat und bereit ist, sich voll einzubringen, mit so einem Menschen gehen wir gerne auf die Reise. Meine Leute können darauf vertrauen, dass wir den Weg zusammen gehen. Ich bin dabei, wenn der andere will – dann passt es.
Wenn der Vertrauensraum gut funktioniert, dann kann ich mich übrigens total zurückziehen. Führen wird dadurch indirekter und zugleich sehr wirksam.
David Max Jeggle: Und was ist, wenn es in diesem Vertrauensraum nicht funktioniert?
Erwin Berger: Dann ist es wohl das Beste, sich voneinander zu trennen. Das tun wir nur sehr selten. In einer Abteilung mussten wir das in der Vergangenheit verstärkt tun; nicht weil die Performance nicht gestimmt hat, sondern weil die Stimmung nicht gepasst hat, die Loyalität zu dem, was wir hier machen und gestalten wollen.
Ansonsten wollen und können wir mit allen arbeiten. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass nur die besten, selbständig denkenden Menschen zu uns kommen. Das ist auch gar nicht notwendig. Hätten wir nur Alpha-Tiere, würde sich das nicht ausgehen, wir würden uns zerfleischen. Wir brauchen die Unterschiedlichkeit. Es ist gut, die ganze Palette menschlicher Fähigkeiten zu haben. Das macht es im Team viel leichter. Aber das führt am Anfang natürlich auch zu Spannungen.
David Max Jeggle: Was Sie beschreiben, nennen wir Berater eine stärkenorientierte Führungspraxis: Mitarbeiter nach ihren Stärken einsetzen, positive Emotionen und Beziehungen untereinander fördern, immer wieder Sinn und Autonomie in der Arbeit herstellen und Erfolge aufzeigen, die Selbstwirksamkeit spürbar machen.
Erwin Berger: Ja, genau da sehe ich meine Aufgaben als Führungskraft: Die Atmosphäre, das Milieu herstellen, für Richtung sorgen und die Mannschaft mitnehmen. Ganz wichtig ist es, dabei Verbindlichkeit herzustellen. Und genau hier sehe ich auch eine große Herausforderung. Es ist nicht immer einfach, Milieu und Verbindlichkeit zusammenzubringen.
Das Milieu bringt unheimlich viel und ist ein fantastischer Nährboden. Persönliche Zuneigung ist sehr wichtig, zugleich brauchen wir Strukturen, die Verbindlichkeit herstellen. Wir fangen jetzt erst an, mit strukturierten Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungen zu arbeiten. Was wollen wir miteinander erreichen, was möchtest Du in den nächsten zwei bis drei Monaten erreichen? Hier entsteht Verbindlichkeit durch schriftliche Vereinbarungen.
Ein weiterer wichtiger Schlüssel ist die Kommunikation. Vielleicht ist sie der Schlüssel überhaupt. Hier fehlt es immer an Zeit. Meine Frau und ich führen sämtliche Konfliktgespräche nach Friedrich Glasl und dem Modell der gewaltfreien Kommunikation von Marshall von Rosenberg. Aber auch unsere Abteilungsleiter:innen sollten das machen. Noch besser wäre, wenn das direkt in den Teams passieren würde. Bis auf die Basis sollte das passieren. Es ist wichtig für die Leute zu erkennen, dass sie sich selbst vergiften, wenn sie Schlechtes reden.
Auch hier zeigt sich: Selbstentwicklung und Menschlichkeit sind elementar. Es fängt beim Einzelnen an und entwickelt sich weiter in der Beziehung, in der Liebe zum Menschen. Dann können alle miteinander wachsen, jeder Mitarbeitende in unserem Team und der Feuerberg als Ganzes.
Über den Autor
David Max Jeggle ist Dipl. Betriebswirt und systemischer Organisationsberater bei der Beratergruppe Neuwaldegg mit den Schwerpunkten Purpose Driven Organizations, agile Transformation und Führung. Dieses Interview ist Teil seiner intensiven Recherchen zum Thema Vertrauensbildung.
Buchtipp: Moving Organizations
„Moving Organizations“ lautet der Titel des neuen Buches unserer Berater-Kolleg:innen Frank Boos und Barbara Buzanich-Pöltl. Das Buch vermittelt ein grundlegendes Verständnis von agiler Transformation, bietet einen Orientierungsrahmen für Change-Strategien und gibt einen Überblick über wirksame neue Methoden in agilen Kontexten. Unter anderem beschreiben die Autoren neun Hebel, die es Organisationen ermöglichen, die agile Transformation hin zur Moving Organization zu vollziehen. Diese Hebel sind die Essenz dessen, was wir Berater:innen der Gruppe Neuwaldegg in vielen Veränderungsprozessen erlebt und erkannt haben. Organisationen zum Resonanzraum für Wachstum und Entwicklung zu machen ist einer dieser neun Hebel.
Noch ein Blogtipp zum Thema Vertrauen
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